Das Comeback des Mehrener Frühlings
Darscheid. Nach 2 Auswärtsspielen hieß es endlich wieder: Heimspiel. Sonntag. Früh aufstehen und mittags Sport machen! Nach einem mageren Rückrundenstart mit einem Arbeitssieg gegen Kelberg und Punktverlusten gegen Hillesheim und Nohn, war es der Anspruch der Mannschaft, es nun besser zu machen!
Gegner diesmal war das Team aus Neroth, Vorletzter des Klassements, aber eine der Wundertüten der Liga. Gerade das Heimspiel rief Erinnerungen in die Leiste und hatte die Magie einer kurzweiligen Kneipenschlägerei. 4 Platzverweise, ein zerfahrenes, ruppiges Spiel und eine knappe Auswärtsniederlage spiegelten einen bescheidenen Sonntag wieder.
Statistisch betrachtet war es das Spiel „Rüpel gegen Rowdy“, sollte man der Fairnesstabelle Glauben schenken und auch in der Rückrunde konnte Neroth diesen Spitzenplatz souverän verteidigen. Aufgrund der vorherigen eigenen Leistungen und dem Gegner war auf dem Papier kein spielerischer Leckerbissen zu erwarten, aber wie so oft sollten wir das Gegenteil beweisen und die zahlreichen Fans mit einem spannenden Mittag verwöhnen.
Überschattet wurde das Ganze, zumindest bei einzelnen Spielern, vom 500. Geburtstag des Reinheitsgebots, sowie dem 50-jährigen Bühnenjubiläum von Vicky Leandros. Coach Fandel stellte taktisch nun um und vertraute wieder der traditionellen 4-4-2 Offensivraute und ließ den TT-Sturm wüten, bestehend aus Thommy und Umbi. Fernlichtliebhaber Mini Dietrich sollte über Außen wirbeln, dafür rückte Peter Franzen zusammen mit Flo Papberg nach innen.
Fandel selbst war gesundheitlich immer noch zum Pausieren gezwungen und durch den plötzlichen Rücktritt vom aktiven Profisport des Timo Hildebrands geprengelt. Mit seiner Aussage: „Ich glaube nicht, dass es noch viele geben wird, die mit 35 Jahren noch Fußball spielen werden!“, rang er immer nur ein müdes, aggressives Lächeln ab und motivierte ihn zu einer emotionalen Ansprache vor dem Spiel. Das Team hatte etwas gut zu machen, sie wussten es und einer wusste es am besten: Markus „Coach“ Fandel. Jener Mann, der auf der Hinfahrt noch einem unbeteiligten Spaziergänger, in Anlehnung an Thomas Tuchel, gesagt haben soll: „Heute Trainer einer Mannschaft sein zu dürfen, die selbstbewusst genug ist, um hier zu gewinnen, erfüllt mich mit großer Vorfreude!“
Pünktlich um 12:30 Uhr pfiff Helmut Bohr bei bestem Aprilwetter die Begegnung an. Es entwickelte sich das erwartete Spiel. Man merkte uns ein wenig die Unsicherheit an, defensiv waren wir noch nicht so sehr gefordert, da Neroth, wie schon im Hinspiel, es traditionell über den langen Ball versuchte. Aber auch wir bewahrten Traditionen und verursachten erneut viele Freistöße im Halbfeld oder in der Nähe des eigenen 16er und zwangen Neroth so selbstgefällig zu Chancen, welche aber des Öfteren fernab vom Tor landeten. Wir selbst versuchten mehr Sicherheit ins Passspiel zu bekommen und konnten uns das ein oder andere Mal gefällig nach vorne kombinieren, jedoch fehlten immer wieder die letzten Prozente. Das Spiel wurde mit der Zeit immer ruppiger, was im Besonderen daran lag, das einzelne Nerother Wert darauf legten, das Spiel grätschend zu bestreiten. Ein Dank geht dabei an den heimischen Platzwart, für die Herrichtung des wunderbaren Geläufs, ohne diesen all das nicht möglich gewesen wäre.
Eine dieser Grätschen führte fast folgerichtig Mitte der ersten Hälfte zu einem Foulelfmeter. Eigengewächs und Druckerlehrling Philipp Schüller nahm einen Querpass im Strafraum an, legte sich die Luftkugel zurecht, wie seinen Kuli in der Berufsschule und wurde gelegt. Trotz Protesten ein klares Foul und für uns die Chance zur beruhigenden Führung. Wie auch gegen Kelberg nutzten wir diese Chance nicht. Der gewohnt sichere Mike Weinand renkte das Spielgerät ungewohnt unsicher knapp rechts vorbei. Die Grätsche des Tages setzte dabei jedoch unser Capitano Siggi Alberg, der in höchstem „Tempo“ kurz vor dem eigenen 16er den generischen Stürmer umflankte, dass dies bereits genug Diskussionspotenzial für eine Runde „Sky90“ in Überlänge hätte. Den anschließenden Freistoß rahmte Neroth, trotz einstudierter Lage, über die Bildfläche.
Doch diesmal ließen wir uns nicht entmutigen. Justin Kessler, provoziert durch den Fehlschuss und wohlbehalten zurück vom letztmaligen Küchenkauf, nahm sich nach einer trickreichen Kombination ein Herz und prügelte den Ball aus 23,8 m gefühlvoll in das Alugestänge. 1:0! Alles in allem die verdiente Führung, die jedoch nicht lange Bestand haben sollte. Einer jener langen Bälle segelte über Freund und Feind hinweg aufs eigene Tor zu. Der gegnerische Stürmer setzte nach und der Ball sprang fast liebevoll zu Markus July. Dieser verschätzte sich jedoch leicht und konnte den Ball mit den Fäusten nur nach hinten und oben abwehren, so das der gegnerische Stürmer mühelos aus kurzer Distanz ins verwaiste Tor einnicken konnte. 1:1!
Mit diesem Resultat ging es in die Pause. Wieder hatte man sich bis jetzt nicht belohnt und zudem wirkte der recht frisch eingewechselte Philipp Schüller recht benommen, nach einem heftigen Zusammenprall mit Mensch und Metall. Es kam zu einem persönlichen Eklat, denn dieser zweifelte, ob Schwindel und Kopfschmerz wirklich vom Fußball stammen sollten oder ob es die logische Konsequenz einer malerisch, intensiven Wochenendgestaltung war! Alles in allem blieben viele Fragen diesbezüglich ungeklärt, denn jetzt gab es für das Team nur eins: den Sieg klären und sich für das belohnen, was sich anfühlt, wie das monatliche Taschengeld der Eltern.
Wir begannen nun druckvoller, auch wenn Neroth gerade zu Beginn erneut versuchte den Druck selbst hochzuhalten. Die Anzahl der eigenen Abschlüsse erhöhte sich merklich, immer wieder wurde nun der Weg über die agilen Asse gesucht. Insbesondere der schuss- und laufstarke Achim Peters fand immer wieder wichtige und richtige Laufwege, notfalls bis zur Eckfahne und wurde dabei vereinzelt frenetisch von einzelnen Zuschauern gefeiert.
Leider schafften wir es nicht, uns nun mit einem Tor zu belohnen und bestraften uns selbst. Nach einer Verletzungspause schlugen die Nerother den Ball fair in unsere Hälfte zurück. Peter und Flo setzten nun die Anweisungen des Trainers konsequent um, und gingen dem Ball, zwecks sicherer Ballannahme, aktiv entgegen, um das Spiel neu zu eröffnen. Leider hatten beide die gleiche Idee! Begleitet von einem kurzweiligen Gefühl der Zufriedenheit trödelte der Ball in den freien Raum. In den von Trauer, Wut und Enttäuschung, durch das Missverständnis geschwängerten Moment, spritzte der gegnerische Stürmer dazwischen, setzte sich über Außen durch und pöhlte den Ball gen Mitte. Über Umwege trudelte der Ball an den 16er, der wuchtige Schuss wurde unhaltbar für Markus July abgefälscht! 1:2!
Nach dem Last-Minute-KO Gegen Nohn nun der nächste Rückschlag. Die sonst so sichere Defensive hatte nun ihr viertes Tor in den letzten zwei Spielen kassiert! Konnte das Team nochmal zurückkommen? Fußball kann alles! Wille, Leidenschaft, Emotionen! Der Geist von Istanbul 2005 regnete herab. Es war, als stände ein traumatisierter Mario Basler, zusammen mit einem wütenden Olli Kahn am Spielfeldrand, beide hielten Samy Kuffour in ihren Armen und analysierten mit Fandel die letzten Minuten im Nou Camp 1999. Ein Comeback war möglich, so schienen sich alle einig!
Bei Neroth schwanden nun die Kräfte, einige Spieler schienen angeschlagen und nach einer kurzen Denkpause waren wir nun gewillt, mehr mitzunehmen als nur einen Punkt. Nach einer tollen Kombination rauschte der Ball in die Mitte des fremden 16ers und diesmal ging der Kapitän voran. Technisch wertvoll und umweltschonend platzierte Siggi Alberg die Vorlage ins Tor. 2:2!
Man merkte nun ein Aufbäumen und die heimische SG ließ nicht nach! Achims gute Laufwege machten sich nun endlich bezahlt! Einer seiner vielen Läufe in einer der vielen, freien Räume kontrollierte er mit Ball an der Eckfahne, flankte und jubelte! Seine Flanke wurde egoistisch von einem gegnerischen Verteidiger wunderbar flach ins kurze Eck gegrätscht. 3:2!
Fandel rotierte nun, brachte erneut Thommy Dimmig und Umbi zurück ins Spiel. Jener Thommy, der in den letzten Spielen etwas glücklos agierte und in der ersten Halbzeit noch so zurückhaltend wawr wie ein Fahranfänger im Leerlauf an der Ampel beim Fahrsicherheitstraining. Doch beide Stürmer sollten das ihnen geschenkte Vertrauen eindrucksvoll zurückzahlen. Gerade Thommy schien seinen Tempomat auf 180 und Lichthupe gestellt zu haben, verzückte die Zuschauer mit einem Solo über den halben Platz, war stets präsent und zwang den gegnerischen Torwart zu einer Glanzparade, als er seine gefühlten 1,60 m auf 4,65 m hubschrauberte und wuchtig gen Tor köpfte. Nur eine sekundenlange Schulterverletzung verhinderte sein weiteres Eingreifen. Sinnbildlich für diesen Einsatz blieb der Druck hoch. Das Spiel war nicht immer ansehnlich, aber die Mannschaft wollte nun den Sieg sichern. Ein Freistoß Höhe der eigenen Mittellinie chippte Flo Papberg, erstmals nach Monaten, gefühlvoll in den fremden 16er. Abgefälscht vom Gegner rollte der Ball zu Mike Weinand, der nun trocken und unbekümmert den Ball ins Netz prengelte. 4:2!
Beinahe wäre dieses beeindruckende Comeback noch mit einem weiteren Stürmertor belohnt worden. Nach einem Foul 25 Meter vor dem gegnerischen Tor, wollte auch Umbi das Bad in der Menge genießen, sich ehrenvoll suhlen. Er legte sich den Ball zurecht und pflügte die Lederbehausung rücksichtslos mit 138 km/h, leicht abgefälscht, gegen den Pfosten. Allein diese Kraft und das Talent zwangen die Zuschauer zu demütigen Applaus und ließen das Spiel in Würde ausklingen. So endete das Spiel verdient mit einem 4:2!
Fazit: Alles in allem ein hochverdienter Sieg. Begünstigt wurde das torreiche Spiel, wie auch gegen Nohn, durch individuelle, defensive Fehler und ließen es unnötig spannend werden. Auch wenn wir immer noch nicht unser spielerisches Potenzial entfaltet und es nur in Ansätzen gezeigt haben, entschied letztlich Wille und Leidenschaft den Sieg gegen ein teils sehr ruppiges und spielerisch limitiertes Neroth. Bei allem Respekt lief das Spiel jedoch deutlich ruhiger und fairer ab als das Hinspiel und gerade in der zweiten Halbzeit merkte man Neroth den hohen Kraftverschleiß sowie einzelne Verletzungen an.
Bis auf die genannten Fehler stand man defensiv erneut sicher und entwickelte offensiv zur richtigen Zeit den Druck und hatte diesmal auch das nötige Quäntchen Glück, wenn es gebraucht wurde. Die traditionellen Fehler, wie die Masse an unnötigen Fouls und die Ungenauigkeiten im Passspiel, gilt es weiterhin abzustellen. Aber man hat nun die Gewissheit, dass dieses besondere Team dies ausgleichen und ihre eigene magischen Momente zaubern kann. Bemerkenswerte Randnotizen hierbei: Nach Jahren der Demut, des Trainings und der Verzweiflung geschah erneut Historisches auf dem Platz. Unter dem Jubel der angereisten Fans und Perspektivspieler lupfte Flo Papberg einen Ball über einen angreifenden Gegenspieler und konnte diesen noch innerhalb (!) des Spielfelds kontrollieren! Weiterhin konnten wir wieder Rene Schneider nach langer Verletzung am Platz begrüßen. Jenes Talent, dessen riesiger Entwicklungssprung nur durch eine Verletzung jäh gebremst wurde. Einzelne Angriffe unsererseits wurden dabei durch ihn per Triangel und/oder Klavier begleitet und musikalisch unterlegt, ein Dank dafür!
Ausblick: Nach einem spielfreien Wochenende, hierbei stehen individuelle Regenerationsmaßnahmen zur Belastungssteuerung nach den intensiven englischen Wochen an, reist man nach Kirchweiler zum Spitzenreiter. Dieser zieht erneut souverän seine Bahnen und ist zum eigenen Sportfest sicher besonders motiviert. Jedoch konnten wir im Hinspiel ein knappes 1:2 erzielen und hätten alles in allem durchaus einen Punkt verdient gehabt. Nun gilt es die Zeit bis dahin zu nutzen und unter Beweis zu stellen, dass der gezeigte Wille und das gezeigte Können nicht nur zeitlich befristet waren, sondern auch gegen ein Spitzenteam abgerufen werden kann. Laut dem gastgebenden Verein wird für Speis und Trank bestens gesorgt sein und so freut sich die SG Mehren/Darscheid II auf viele Zuschauer aus Nah und Fern, um die spielerische Entwicklung des Teams zu bewundern und weiter zu fördern. (Florian Papberg)
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