Buks küsst den Nohner Himmel
Nohn. Sonntag. Sonne. Kreisliga D. Ballspiele. Rasenplatz. Mitten in der Eifel. Worte, wie ein ehrliches Ehegelübde in einem Standesamt mit dem Charme einer heruntergekommenen Dorfkneipe. Diese malerische Mischung aus Vernunft und Vertrauen konnte nur eines bedeuten: Saisonstart. Monate des Wartens waren vorbei. Monate ohne Training, ohne Wettkampf. Jeder wusste: So fühlte sich Hund Bronko nach dem überraschenden Umzug während des Sommerurlaubs ins Tierheim. Traditioneller und wie immer unangenehmer Auftaktgegner war der Sportverein aus Nohn. Schon die vergangenen zwei Spielzeiten war man hier zu Gast und tat sich schwer. Dies sollte sich heute buchstäblich wiederholen.
Nach einer durchwachsenen Vorbereitung, bei dem das Defensivverhalten noch optimiert werden musste, war es auch die Chancenverwertung, die zu wünschen übrigließ. Bezeichnend hierfür: Die 0:3 Pokalniederlage gegen die SG aus Nusbaum. Eine vermeidbare Niederlage mit einem herausragenden Torschussverhältnis, jedoch ohne eigenen Treffer. Also stellte sich nur eine Frage: Konnte die Mannschaft reagieren? Wie ein Single bei der Damenwahl in der Tanzschule kannte einer sofort die Antwort: Coach Markus Fandel! Nach Jahren der Beständigkeit hat sich langsam das Gesicht der Mannschaft geändert. Eigengewächse und jene Produkte der dorfeigenen Talentschmiede, Förderer des Amateur-Tiki-Taka, Chris Alberg und Thomas Umbach, zogen sich aus dem unbezahlten Leistungssport zurück. Zwei Männer, die der zweiten Mannschaft über Jahre ein Gesicht gaben, Spiele entschieden und eine Ära prägten, über die renommierte Fachzeitschriften schon damals sagten: „Du kannst einen sechs Jahre alten Jungen scouten, ihn in deiner Fußballschule aufziehen und ihn in ein Team aus importierten Weltklasse-Talenten stecken. Du kannst ihm jedoch nicht die Begabung verleihen, sich an den Besten zu orientieren und von ihnen zu lernen.“
Zurück blieb also eine hungrige Truppe aus Studenten, Beamten, Ehrenamtlern und aufstrebenden Talenten. Einzig und allein das Verletzungspech blieb uns treu. Hier sei insbesondere Mike Weinand zu erwähnen, der sich nach langer Verletzung zurückkämpfte und während eines Vorbereitungsspiels, bei einem eigentlich harmlosen Zweikampf, erneut schwer verletzte und nun wahrscheinlich die gesamte Saison ausfällt. Ein herber Schlag besonders für ihn, aber in diesem Sinne: Gute Besserung und „Comeback stronger!“
Daneben muss man nun auch auf Stammtorhüter Patrick Weinand und Außenstürmertalent Robin Willems für ungewisse Zeit verzichten. Im Gegenzug konnte man dafür mit den Daunern Spielern, den beiden Schumacher-Brüdern und Mizileanu, drei hoffnungsvolle Spieler begrüßen, welche ihr enormes Potenzial und ihre brutale Qualität bereits schon beim Aufwärmen vor einem Training andeuten konnten. Nicht unbekannt, aber zwei völlig neue Talente, so aufregend wie Nachwuchs im Elefantengehege im Kölner Zoo als Zuschauermagnet: Christian Otten und Artur Buks.
Nach einer souverän ruhig und emotional diskreten Mannschaftssitzung beim Abschlusstraining am Freitag stellte sich die Mannschaft zwar quasi von selbst auf, aber trotzdem hatte Fandel noch Optionen. Bedingt durch einen Torhüter-Engpass gab Umbach, gelernter Stürmer, ein schnelles Comeback. Defensiv vertraute Fandel auf Capitano und Aschenplatzliebhaber Papberg, sowie Leon „The Body“ Schüler, über den der Kicker in Anlehnung an das Hamburger Volksparkstadion schrieb: „Ein massiger Klotz aus Stein, Eisen und Fleisch, der an jedem Spieltag vor Adrenalin, Bier und Zigaretten fiebrig dampfte.“ Begleitet wurden beide von den Außenverteidigern Eliah und Julian, ein Versprechen an die Zukunft.
Durch den kurzfristigen Ausfall Yannik Webers vertraute Fandel zentral auf den lautstarken Akademiker „Cello“ Schneider und seinen kongenialen Partner Michi Weber. Offensiv konnte Fandel, trotz Verletzungssorgen, das gute Sonntagsservice aufbieten: Neben Goalgetter Achim Peters, liefen Otten, der körperliche präsente Techniker „KW4“ Wenzel, sowie Neuzugang Mizileanu auf. Credo der freitäglichen Ansprache: Hinten sicher stehen und nach vorne die Offensivpower nutzen. Pünktlich um 12 Uhr, unter Leitung des souverän pfeifenden Jürgen Schröder, setzte es Mehren um:
Anstoß mit einem hochverdienten, defensiv ungefährdeten 0:0. Sofort versuchte Mehren die Kontrolle zu übernehmen, ruhig von hinten aufzubauen und immer wieder schaffte man es gefällig nach vorne zu kombinieren, ohne jedoch zwingende Abschlüsse zu kreieren. Defensiv stand man sicher und es war Wenzel in Minute sechs, der nach einem puddingtrockenen Stecksteilpass in die Box ging, aber an der Platzbegrenzung scheiterte und am Tor vorbeizielte. Erste Aufregung im eigenen Strafraum gab es dann nach 15 Minuten. Nach kurzem Aufbau durch Umbach, suchte Papberg auf dem Vorfuß die diagonale Spielverlagerung durch den 16er. Ein Pass voller Willen und halber Kraft wurde von Delonge abgefangen, doch der aufmerksame Umbach verkürzte den Winkel und ließ den Ball schemenhaft das Außennetz streicheln. Motiviert durch den Fehler suchte Nohn nun das hohe Pressing und lief immer wieder weit vorne an, um Fehler zu provozieren. Mehren ließ sich davon nicht beirren, allein Eliah Guckes bewarb seine Seite wie ein 2 in 1 Pflegeshampoo. Immer wieder pflegte er defensiv die Wiese und spülte offensiv das Lederimitat die Außenlinie entlang.
Die SG gewann immer mehr Übersicht, was sich in Minute 27 auszahlen sollte. Inmitten der Druckphase gelang der Ball an den 16er und was dann folgte war ein Pass wie sonntäglicher Stuhlgang: überraschend, intensiv, aber erfolgreich. Mit etwas Glück erreichte die Flaschenpost Neuzugang Mizeleanu, der mit feiner Technik und verbesserter Rezeptur die verdiente Führung erzielte. 0:1. Mehren hatte nun Oberwasser, kontrollierte das Spiel und stand hoch. Nach einem harmlosen Fußgemenge in Minute 35 radelte sich der Nohner Schröder an den Ball. Mit einem vermutlich gewollten Lupf-Steil-Streichelpass hauchte er den Ballon in die gegnerische Hälfte. Reinarz nahm Witterung auf und folgte dem Rudel. Einzig Schüler machte selbst einen Schritt an die Theke und ließ die Happy Hour dann ausfallen. Umbach kam raus und versuchte noch zu retten, wurde aber gekonnte ausgeschaut und Reinarz vollstreckte dekadent zum bis dato doch überraschenden Ausgleich.
Die SG war kurz geschockt. Trotz des Übergewichts ein unnötiges Tor, nachdem man bis dahin ein Chancenplus hatte. Insbesondere Weber holte immer wieder den guten Ball aus dem Ballschrank und präsentierte den anwesenden Beobachtern und mitgereisten Fans seine malerische Schusstechnik. Einzig Metzen ließ Webers besten Freund immer wieder abblitzen, auch wenn die Abpraller nicht verwertet werden konnten. Pünktlich wurde zur Halbzeit gepfiffen. Ein Ergebnis, was sich vielleicht genauso falsch anfühlte wie damals die Affäre auf der Rückbank eines gebrauchten Opel Corsa B. Nach dem Abiball. Im Radio läuft „Give me everything tonight“, der Kofferraum gesaugt, den Duftbaum frisch gewaschen. Der TÜV abgelaufen. Also war es wirklich alles was man diesem Tag gegeben hatte? Bezeichnend! In der Halbzeit erkannte Fandel alte Fehler, und versuchte mit Dübeln an den richtigen Schrauben zu drehen. Defensiv stand man größtenteils sicher und hatte offensiv einige Chancen. Jener Mann, welcher alle Vorbereitungsspiele einer Wattenscheider Bezirksliga Mannschaft 1978 auf VHS-Kassette studierte und seine ersten Worte auf einer Taktiktafel mit Magneten legte, wusste, es war Zeit für die ganz frischen Brötchen in der Auslage. Er zog Otten auf die Außen und schob Newcomer Buks in den Sturm.
Mehren schob sofort wieder an, zu groß waren die Erinnerungen an die Schüller-Festspiele, welcher einst in Nohn dreifach traf und sich über Nacht auf dem Cover der Bravo Sport verewigte. Nohn presste nicht mehr so hoch und immer wieder wurde versucht die Zentrale zu überbrücken. Alleine Otten auf dem linken Flügel ließ seine Gegenspieler immer wieder stehen, wie damals der Busfahrer an der Berufsschule. Es war diese Liebe auf den ersten Blick, wenn man dem Ball gesteht, mehr als nur Freunde sein zu wollen. Mehren drängte immer mehr, doch wie in den letzten Spielen auch gestaltete man nur die Torschussstatistik sehr ertragreich.
Buks, bis dato unauffällig präsent, wartete bis zur 60. Minute. Mizeleanu und Buks schoben an und drängten auf Bewegung, die Nohner Defensive ließ aufhorchen, eine Geste des Respekts kam hervor und Buks intervenierte. Gedankenschnell entschied er sich dem Alltag eine Wendung zu geben, setzte sich energisch durch, behauptete die Lederkugel und schob an Metzen vorbei in den von Aluminium gesäumten Trakt – 2:1. Fandel frohlockte an der Seitenlinie, ein Gefühl wie eine emotionale Vorschau auf einen launigen Nachmittag bei RTL.
Man hatte nun die Kontrolle über das Spiel, immer wieder wurden über die Sechser das Spiel angeschoben und auf die Außen verlagert. Der in der Vorbereitung müde Cello Schneider, welcher sich merklich akademisiert hat, rief nun pünktlich zum Saisonstart sein volles Potenzial ab. Jener Mann, der bei den Bundesjugendspielen gegen einen Leoparden lief, um einen gleichwertigen Gegner zu haben und ihm danach demütig die Siegerurkunde schenkte, bewies die nötige Zweikampfstärke, wie beim ersten Kontakt in der Disco. Doch wieder einmal sollte das Gefühl nicht lange halten.
Mehren fing einen Nohner Konter ab und Umbach spielte Papberg kurz am eigenen 16er an. Dieser, bedrängt von einigen Menschen, fühlte sich unter Druck gesetzt, löste sich jedoch und trieb den Ball nach vorne. Doch nicht weit genug. Nach einem Ballverlust an der Mittellinie setzte er nochmals nach. Er spürte bereits diese Ernüchterung eines bändergedehnten Gnus, flankiert von einem Rudel Löwen. Schröder setzte sich schließlich durch und erkannte die breite Lücke, stellte den Stuhlkreis und Papberg zog das taktische Foul. 25 Meter vor dem Tor war die kurze Reise beendet, beide Beteiligten merklich enttäuscht. Doch Nohn führte den Freistoß kurz aus. Mit etwas Glück und etwas Geschick prengelte der Ball in den 16er. Reinarz nahm sich wieder dessen an, machte auf dem Vorfuß noch einen Schritt und zog aus spitzem Winkel ab. Umbach, überrascht wie die beliebte Ziege in einem Streichelzoo, welche von der stoischen Missachtung einer Kleinfamilie genährt wird, nahm die Kunststoffpfanne hoch und lenkte den Ball in den kurzen Winkel. Was auf dem Bau als solide Handwerkskunst durchgeht, war hier unmissverständlich: Etwas unhaltbar. Ausgleich!
Ein Nackenschlag. Ein Gefühl wie damals in der Schule, wenn der kräftige Jan-Thorben aus der Oberstufe die Ballspiele körperbetont untersagte, obwohl man doch schon mit dem Roller kam; die väterliche Lederjacke frisch imprägniert und man nicht mehr das Gefühl haben musste im Bus Freunde finden zu müssen, um den Sprit zahlen zu können. Doch diesmal gab sich Mehren nicht auf. Fandel erinnerte sich an die Worte Guardiolas: „Wer Trainer werden will, muss zuerst mit ihm gesprochen haben.“ Nach einer kurzen Denkpause gab man sich drei Minuten des Wartens.
Mehren drückte nun wieder und „Cello“ Schneider entschied sich für eine ehrenamtliche Tätigkeit. Nachdem man sich in der Nohner Hälfte festgesetzt hatte, ließ Schneider das morgendliche Aufstehen Revue passieren, erinnerte sich an die abendlichen Passübungen an der Beifahrertür eines Seat Ibiza. Es hätte der Seitenwechsel sein können, der sichere, banale Aufbau über die Abwehr, aber Schneider prüfte den Handwerker in sich und akademisierte einen feinen Pass in die Füße von Buks. Mit der energischen Ruhe eines Landwirts bei der Heuernte, entschied er sich für die feine Art der Resteverwertung, nahm sich seines neuen Freundes an und liebkoste den Ball in die Netzstruktur zur wiederholten Führung
Mehren war wieder obenauf. Defensiv zeigte man nun die Struktur, auch wenn Nohn immer wieder Nadelstiche setzte und merklich nach vorne drücken wollte und die Offensive stärkte. So ergaben sich Räume. Alleine Papberg wählte dreimal den Steilpass auf Wenzel und Weber. Jener in die Jahre gekommene Mann, der die DFB-Fußballschule frühzeitig abbrach, als man ihm Grätschen und Abstöße gelehrt hatte. Doch allein Weber, gelernter Streitschlichter und Ruhepol, verzog mehrmals aussichtsreich. Buks hatte noch nicht genug. Er wollte mehr, wollte zeigen, wollte helfen, drängte sich auf, wie der Obi-Biber in einer klammen Latzhose, der die Überstunden verwendete, um Holzverschnitt zu formen und für den Kunden ein perfekter Gastgeber zu sein. Erneut war es Cello, der nach einer Kombination bis an den gegnerischen 16er die altmodische Variante wählte und Buks freispielte. Wieder kam dieser seinem Freund entgegen und nach einem kurzen Austausch über das vergangene Wochenende, schüllerte er erneut lasziv den Ball an Metzen vorbei zwischen das Gestänge zum 2:4!
Entscheidung? Ein Spiel von Buks, was keine plumpe Zeichnung auf einer Kreidetafel verdient hatte. Mehren hielt das Tempo hoch, und immer wieder war es Otten, der seine filetartige Technik nutze und Lücken schaffte. Doch auch er reihte sich in die webersche Historie ein und verzog in Minute 82 freistehend im Strafraum. Nohn versuchte anzurennen, doch diesmal nahm die Defensive frühzeitig Witterung auf und schaffte es die Konter zu unterbinden. In Minute 86 war es dann erneut Reicharz, der sich auf die große Bühne drängelte. Mit großen Schritten sah er zentral die Lücke und tankte sich Richtung Tor, wie ein Fahranfänger an die Zapfsäule einer freien Tankstelle und entließ den Ball grob, aber ebenso zentral, Richtung Umbach. Dieser war etwas überrascht, versuchte noch technisch überragend überzugreifen, aber es rechte nicht mehr. Ein Schuss, wie das Ende einer langjährigen Beziehung. Am Anfang vorauszuschauen, aber am Ende überraschen, weil man sich doch viel Mühe gegeben hatte. 3:4. Das Spiel war nun offen, Nohn warf alles nach vorne, doch diesmal war es einer jener Tage, an dem Mehren letztlich relativ souverän die Defensive beisammenhielt.
Fazit: Auf den ersten Blick ein Arbeitssieg, begleitet von Einsatz und Wille. Auf den zweiten Blick mehr als verdient, hatte man doch insgesamt ein deutliches Chancenplus. Doch trotz vier Toren war die Chancenverwertung wieder das Manko, zumal drei individuelle Fehler das Spiel spannender machten als gedacht. Insgesamt stand man defensiv sicher, doch mit einer konzentrierten Leistung wäre wahrscheinlich ein deutlicher Sieg die logische Konsequenz gewesen. Doch der überragende Buks definierte das Wort Happy End neu. Auch Neuzugang Otten bot ein breites Sortiment frischer Schnittblumen, ebenso wie der brutal starke Eliah, welcher sein Potenzial als Außenverteidiger nachhaltig im Sinne der nachfolgenden Generation aufzeigte. Ebenso nachhaltig, wie konsequent: Fandel. Jenes Taktikgenie, welcher einem unbeteiligten Zuschauer nach dem Spiel energisch mitteilte: „Ich habe unseren alten Freund Udo Lattek in der Halbzeit gesehen: Er hat geweint.“ Tränen der Wut? Tränen der Enttäuschung? Es waren wahrscheinlich Tränen der Vorfreude, als Buks den Platz betrat, um das Spiel zu entscheiden und Schüller sich in Minute 74 in das Spiel grätschte, als hätte es nie ehrliche, platonische Freundschaften in einem Saunaclub gegeben. Ergreifend.
Ausblick: Nach einem spielfreien Wochenende geht es nun im Derby gegen Daun. Dort, wo man letzte Saison schmerzhaft und verdient verlor und sich immer wieder das Leben schwer macht. Ein Gegner, der taktisch überraschend und impulsiv auftritt und viel abverlangen wird, aber gegen den man unter normalen Umständen das Ziel haben muss zu gewinnen. Mit einer weiterhin so guten Trainingsbeteiligung und einigen zu erwartenden Rückkehrern kann diese Saison erfolgreich gestaltet werden, auch wenn man nicht einschätzen kann, wie sich die einzelnen Mannschaften entwickeln. Alles in allem gilt es den Kampf anzunehmen.
Somit freuen sich Spieler, Betreuer und emotional verbundene Menschen auf viele Zuschauer beim Derby. Traditionell wird auch hier für gekachelte Rückzugsräume, Nahrungsmittel und eine saubere Infrastruktur gesorgt sein. (Florian Papberg)
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